Rathaus

Kugelau

Bbg. kath. im Ldgr. Hollfeld. Dieses kleine Örtchen, welches aus einigen Höfen und einer Ziegelhütte besteht, hat 30 Einwohner, liegt im Zeubachgrunde und gehört eigentlich zu dem Örtchen Zeubach. Wenn man von Kugelau über den Berg in das Ahornthal gehen will, kommt man auf die sogenannte „Landsgemein“, wo man eine der schönsten Aussichten in dieses Thal hat – schreibt Joseph Heller 1829 in sein Reisetagebuch.
Laut historischem Ortsnamenbuch wird der Name des Ortes 1525 erstmals erwähnt. Zur Erklärung des Namens in Verbindung mit der Landsgemeinde, in der sie liegt wird angemerkt, daß es in alten Grenzbestimmungen oftmals hieß: „Die Ausdehnung des Gebietes bemißt sich so weit als die Kugel rollt und das Wasser rinnt“. Und: „Die Grenzen der alten Landsgemeinde verliefen bei Kugelau“. Aus diesem Grund folgt der interessante Artikel des Waischenfelder Michel Hofmann, der jahrelang im Staatsarchiv Bamberg arbeitete.

Alte „Landsgemeinden“ und „Landsweiden“ in Oberfranken
(von Dr. Michel Hofmann)

Zwei miteinander im Kampf liegende Prinzipien bestimmen seit den ältesten Zeiten die Geschichte des deutschen Rechts: Hie Herrschaftsrecht – Hie Genossenschaftsrecht! Das Gemeinschaftsleben und die Verteilung der Güter und Nutzungen regelt sich im Bereich des Herrschaftsrechts nach dem Willen eines über den Untertanen stehenden Herrn, im Bereich des Genossenschaftsrechts nach dem Willen rechtsgleicher Mitglieder. Im Lauf der Entwicklung wurde der noch im Mittelalter mächtige Genossenschaftsgedanke immer mehr in die Verteidigung gedrängt und erlag bis auf bescheidene Reservate schließlich der Übermacht der Fürsten und ihrer absolutistischen Polizeistaaten.

Immerhin haben sich manche Rechtsgebilde und Einrichtungen der alten Zeit, da im Gemeinschaftsleben noch nicht allein die Befehle von Fürsten und Herren, sondern auch die Beschlüsse gleichberechtigter Mitglieder galten, mehr als ein Jahrtausend behauptet und sind meist erst um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert erloschen: die Landsgemeinden und Landsweiden des fränkischen Landes. Schon ihre Namen deuten auf uralte Gemeinschaftsverhältnisse, wobei es sich jedoch ursprünglich nicht um den Sonderbesitz einer einzelnen Dorfgemeinde handelt, sondern um Grundstücke, die „zwischen den Dorfmarken“ lagen und einem überörtlichen Kreis von Nutzungsberechtigten zur Entnahme von Holz und zum Viehtrieb zur Verfügung standen, der hierzulande vor Einführung der Stallfütterung und vor dem Erliegen des einst blühenden fränki6chen Hirtenwesens von höherer Bedeutung war. 

Nachrichten und Nachweise
Über die älteste Geschichte der Landsgemeinden fehlen naturgemäß schriftliche Nachrichten; denn sie reichen in die urkundenlose Zeit, nach E. Frhr. v. Guttenberg sogar in die Zeit der „oberfränkischen volksmäßigen Besiedelung“ unserer Heimat zurück (wenn man sich nämlich die fränkische Einwanderung in unsere Gegenden als eine durch Grundherren geleitete vorstellt). Erst im Spätmittelalter setzen die archivalischen Nachrichten ein.

Im „Rechtsbuch“ des Bischofs Friedrich (1348) wird die Landsgemein (heute: Waldabteilung „Landweide“) am Sendberg bei Hellstadt erwähnt, die 100 Jahre später kaufsweiße von Hans v. Schefstahl an den Kammermeister des Kammeramts Hallstadt übergeht; wahrscheinlich aber nur teilweiße oder nur dem reinen Grundeigentum nach, da noch 1608 der Fürstbischof mit den Gemeinden Hallstadt, Baunach, Kemmern, Oberhaid und Dörfleins, einen Vertrag über Aufforstung und Weiderechte der genannten Dörfer an der Landsgemein abschließt; das Landbuch von 1610 nennt statt Kemmern noch Güßbach und Unterhaid als Rechtsdörfer. – Die Forstprotokolle über den Hauptsmoor erwähnen noch 1593 eine Landsgemein in der Hohengüßbacher Geheidt mit Nutzungsrechten der Hohengüßbacher, Breitengüßbacher und Zückshuter, während sich schon 1525 im Bauernkrieg die Laubender, Hohengüßbacher und Zückshuter über den Entzug ihrer Viehtriebs- und Hutweiderechte in dieser Landsgemeind beschwert hatten. – Ein Forchheimer Gerichtsbuch erwähnt 1653 eine Landsgemeinde der Unterweilersbacher und Kirchehrenbacher.

Eine Landsgemeinde wer auch die „große Hege“ am Mainberg (richtiger: Gemeinberg!) mit den Rechtsdörfern Herrnsdorf, Röbersdort, Erlach, Pettstadt, Reundorf, Frensdorf (1560). – Diesem „Mainberg“ entspricht der Gemeinberg an der Langen Meile bei Kauernhofen, um den die Dörfer Drosendorf und Weigelshofen mit dem Dorf Kauernhofen 300 Jahre lang prozessierten. – In der Nähe liegt die Friesener Warte; nach einer Urkunde von 1352 „die Warte und um den hauptpuhel gegen Friesen aneinandergelegen zwischen den Dorfmerken Friesen, Seigendorf, Ketschendorf, Neuseß und Hochstall … eine gemeine Nutzung aller der welt“. Alle Löcher zur Rechten des Wegs von Weizmeun (Weismain) nach dem Eycheig (Eichig) gehören schon 1339 zu den Dörfern Köttel, Lahm und Eichig.

Die Landsgemeinde zwischen Hannberg (bei Waischenfeld), Eichig, Weiher (im Ahorntal) und Kirchahorn beschreibt der Geograph und Statistiker J. B. Roppelt (Hist. top. Beschreibung, S. 469): „Rechter Hand an diesem Ort (Kugelau im Zeubachtal) den Berg hinauf hebt sich eine sogenannte Landesgemeine an und geht bis an das Arnthal (Ahorntal, oberes Ailsbachtal) gegen die Schweinsmühle, wo sich ein tiefes Thal befindet; an dieser Landesgemeine haben mehrere Ortschaften und Schäfereyen das Hutrecht; hier wäre Plaz zu einem neuen Dorfe. – Nordöstlich davon (und vielleicht vor Besiedelung des Zeubachtales mit der vorgenannten zusammenhängend) hegt die „Landsgemein“ am Löhlitzer Anger zwischen Waischenfeld, Nankendort, Löhlitz, Neusig, Kugelau und Zeubach. 

Schicksale der Landsgemeinden
Die Entstehung derartiger Gemeinschaftsverhältnisse wurde durch die ursprüngliche Wirtschaftsweise und mehr noch durch das altdeutsche Bodenrecht begünstigt, das die Gemeinschafts- Bindungen bevorzugte und in Fragen des Grundstücksrechts von der anschaulichen Nutzung („Nutz und Gewer“) ausging, während das individualistische Römische Recht nur den Begriff der ausschließlichen Sachherrschaft (dominium) und daneben die Rechte an fremder Sache (iura in re aliena) kannte. Die Übernahme des Römischen Rechtes in die deutsche Praxis mußte deshalb den alten Landsgemeinden gefährlich werden. Ein geschickter Jurist konnte es ohne großen Geistesaufwand begutachten, daß der Landesherr die fraglichen Grundstücke als herrenlos für den Fiskus einziehen und den bisher Berechtigten den Fortgenuß ihrer althergebrachten Nutzungen als beschränktes und ängstlich überwachtes Recht an fremder Sache allergnädigst genehmige.

Man denke nur etwa an die im Bauernauf6tand vorgebrachten Beschwerden der Laubender, Hohengüßbacher und Zückshuter über Beschränkung ihrer Weiderechte in der Hohengüßbacher Landsgemein durch die fürstbischöfliche Forstverwaltung. Die Rechtsdörfer selber aber hatten ungewollt die ihnen abträgliche Auffassung gefördert, indem sie die Landsgemeinden nicht konsequent als ihr ausschließliches Eigentum zur gesamten Hand, sondern nach altertümlicher Formel als „eine gemeine Nutzung aller Welt“ (1352, Frießener Warte), als eine „Landsgemeine aller, die sie gereichen mögen“, (1358, Isling) oder in ähnlicher Form bezeichneten, soweit diese Fassung nicht auf die Herrschaft selbst oder auf die nichtberechtigten Nachbardörfer zurückgeht. Jedenfalls war das Wasser auf die Mühlen der zugriffsfreudigen landesfürstlichen Räte. Eine amtliche bambergische Definition von 1787 erklärt denn auch – offensichtlich in Anlehnung an die ebengenannten Formeln – „eine Landsgemeinde als einen zur Benutzung gemeinschaftlichen Platz für alle, die ihn erreichen können, für alle Welt, so daß weder eine Gemeinde vor der andern sich eines ausschließlichen und … eines näheren Rechtes zu bedienen befugt ist“. Auf die römisch- rechtliche Begriffswelt gestützt, konnten die Fürstenstaaten viele Landsgemeinden als angeblich herrenlose Grundstücke einziehen, . wobei das Fürstentum Bamberg bedeutend schonender vorgegangen zu sein scheint als die Markgrafschaft Bayreuth, die um die Mitte des 18. Jahrhunderts sogar die Grundbesitzungen der einzelnen Gemeinden an sich riß und sich für die allergnädigste Rückerstattung noch teuer bezahlen ließ.

Gegenüber den Eingriffen der Landes- und Grundherren, die die Landsgemeinden zuletzt besonders aus Steuer- und Landeskultur- Erwägungen bekämpften, haften, immerhin zahlreiche Gemeindegruppen ihre Landsgemeinden bis in die Zeit um 1800 behauptet. Natürlich mögen bereits vor 1800 gelegentlich nachbarliche Reibungen zu freiwilligen Aufteilungen geführt haben, über die nicht immer schriftliche Nachrichten vorliegen. So erfahren wir von einer Teilung des zwischen Ober- und Unterweilersbach gemeinsamen Waldes (der übrigens nicht unbedingt als Landsgemeinde anzusprechen sein wird) im Jahr 1490 nur deshalb, weil sich die beiden Dörfer nicht über den Teilungsmodus einigen konnten und sich beim bischöflichen Landgericht verklagten; denn die Unterweilersbacher wollten jeder Gemeinde die Hälfte zugewiesen sehen, während sich die Oberweilersbacher für eine gerechtere Teilung nach der Zahl der Anwesen einsetzten.

Die gleichen Probleme ergaben sich 400 Jahre später, als im ersten Teil des 19. Jahrhunderts alle bis dahin verbliebenen Landsgemeinden aufgeteilt und in die Gemeindesprengel einbezogen wurden (nebenbei: eines der Argumente für die Fragwürdigkeit des Alters der Gemeindegrenzen!). So erlosch das gemeinschaftliche Nutzungsverhältnis, bei der Eggolsheimer Landsgemeinde am 8. Juni 1806 durch Aufteilung unter die fünf Rechtsdörfer oder bei der von Kauernhofen am 19. Februar 1821 nach 300jährigem Prozeß. Seitdem leben die altfränkischen Landsgemeinden und Landsweiden nur noch in den Flurnamen fort. Aber selbst in dieser ausgehöhlten Form des Weiterbestehens vermögen sie die nachdenkliche Erinnerung an den steten Wandel der wirtschaftlichen und politischen Gestaltungskräfte unseres Gemeinschaftslebens wachzuhalten.